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"Ätzendes Horrorverfahren" Drucken
Dienstag, den 12. Februar 2013 um 17:01 Uhr

Urteil des AG Offenbach - 22.05.2002 - 39 C 6315/96 (NJOZ 2005, 185)

Sachverhalt:

Der Kl. begehrt von der Bekl. Schadenersatz und Schmerzensgeld. Hierzu trägt er vor, von den drei Rauhhaardackeln der Bekl. gebissen worden zu sein. Die Bekl. wendet ein, eine Tierhalterhaftung scheide aus, weil der Kl. einen der Dackel zuvor getreten habe, so dass sich die anderen Tiere, die Tochter und Enkelin der getretenen Tiermutter seien, im Wege der „Nothilfe“ veranlasst gesehen hätten, ihrer Dackelverwandten zu helfen.

Mit Beschluss vom 22.04.2002 hat das Gericht auf Folgendes hingewiesen:

I. Die Parteien werden darauf hingewiesen, dass dieses absolut ätzende ‚Horrorverfahren´ bereits seit mehr als 1½ Jahren das AG beschäftigt und sämtliche Dimensionen eines amtsgerichtlichen Verfahrens sprengt; der Umfang von bisher 240 Seiten übersteigt schon ein normales OLG-Verfahren; die Parteien reichen ständig neue Schriftsätze ein, insoweit steht es inzwischen 16:11 für den Kl. Dadurch wird dem Gericht jede Möglichkeit einer endgültigen, zeitaufwendigen Durcharbeit dieser entsetzlichen Akte und für die Absetzung einer Entscheidung genommen. Da die Sache nun wahrlich exzessiv ausgeschrieben ist, wird höflich darum gebeten, von weiteren Schriftsätzen Abstand zu nehmen, mit Ausnahme von konstruktiven Vergleichsvorschlägen, die allein noch sinnvoll wären.

Die Klage hatte teilweise Erfolg.

Entscheidungsgründe:

Die Bekl. haftet als Tierhalterin gem. § 833 BGB auf Schmerzensgeld in der zuerkannten Höhe, weil zwischen den Parteien nicht ernsthaft im Streit ist, dass einer der Rauhhaardackel der Bekl. den Kl. gebissen hat. Das Gericht lässt es hier ausdrücklich offen, ob die drei Rauhhaardackel möglicherweise als Mittäter entsprechend § 830 BGB, § 25 II StGB gemäß vorgefasstem Beißentschluss gemeinschaftlich gehandelt haben, dies ist jedenfalls nicht streitentscheidend.

So scheidet jeweils eine terroristische „Dackel“-Vereinigung gem. § 129a StGB aus, weil keine der genannten Katalogstraftaten verwirklicht ist. Andererseits ist nicht zu verkennen, dass die Dackel insgesamt eine Großfamilie bilden, immerhin handelt es sich um Mutter, Tochter und Enkelin, es besteht also durchaus eine enge verwandtschaftliche Beziehung, der Solidarisierungseffekt ist groß.

Das Gericht vermochte aber nicht mit hinreichender Sicherheit festzustellen, dass Dackeltochter und Dackelenkelin im Wege der Dackel-„Nothilfe“ ihrer angeblich angegriffenen Dackelmutter bzw. -oma zu Hilfe kommen wollten, um diese vor den von der Bekl. behaupteten Tritten des Kl. mit beschuhtem Fuß zu schützen. Insoweit konnte auch kein - zwingend erforderlicher - Verteidigungswille bei den beiden jüngeren Dackeln festgestellt werden.

Auch für Sippenhaftgedanken bzw. Blutrache haben sich keine genügenden Anhaltspunkte ergeben. Insgesamt hat die Beweisaufnahme nicht zur Überzeugung des Gerichts ergeben, dass hier eine Provokation seitens des Kl. vorlag. Die vernommenen Zeugen haben teilweise den eigenen Vortrag der Bekl. so nicht bestätigt, teilweise haben sie auch nur auf Grund von Belllauten das Geschehen mitbekommen, sind also analog bei Verkehrsunfällen als so genannte „Knallzeugen“ zu qualifizieren, wobei ein gewisses Entgegenkommen der „Hausgemeinschaft“ nicht zu verkennen war, der Bekl. „zu helfen“.

Durch das erfolgte Beißen des Kl. durch Dackel hat sich die typische Tiergefahr realisiert. Das Gericht hat bereits im Termin auf die einschlägige Rechtsprechung hingewiesen, dass in Fällen dieser Art jedenfalls immer die Tierhalterhaftung eingreift, wobei hier ein Mitverschulden oder eine Mitverursachung auf Seiten des Kl. nicht festgestellt ist. Bei der Bemessung der Höhe des Schmerzensgeldes hat das Gericht die im Aufnahmebericht des Stadtkrankenhauses Offenbach attestierten Verletzungen zu Grunde gelegt. Diese sind allerdings nur als äußerst geringfügig anzusehen, sie hatten jedenfalls keine Folgen, sie bewegen sich im Bereich von Bagatellen, so wie dieser gesamte Prozess ja auch, was der Gesetzgeber in § 495a ZPO niedergelegt hat.

Die oberflächlichen drei Schürfbisswunden rechtfertigen auch unter Einbeziehung der einschlägigen Schmerzensgeldtabelle von Hacks/Ring/Böhm jedenfalls kein höheres Schmerzensgeld als 500 DM. Hierbei ist auch festzustellen, dass die vom Kl. behauptete Arbeitsunfähigkeit von einer Woche nicht substanziiert nachgewiesen worden ist. Das Gericht hatte dem Kl. in der Ladungsverfügung aufgegeben, hierüber ein Attest vorzulegen, was er nicht getan hat. Des Weiteren verblieben gewisse Ungereimtheiten auf Grund der Behauptung der Bekl. und der hierzu vernommenen Zeugen, der Kl. sei durchaus in der Lage gewesen, Fahrrad zu fahren. All dies rechtfertigt jedenfalls kein höheres Schmerzensgeld als 500 DM im Hinblick auf § 847 BGB unter Abwägung sämtlicher Umstände.

Gegen die weiter geltend gemachten materiellen Schäden hat die Bekl. nichts erinnert. Diese sind demgemäß in Höhe von 76,80 DM zu ersetzen. Gleiches gilt für den Zinsanspruch, der sich in gesetzlicher Höhe unter dem Gesichtspunkt des Verzugsschadens als begründet erweist.

Kommentar:

Hierzu fällt auch uns nichts mehr ein :-)

Zuletzt aktualisiert am Dienstag, den 12. Februar 2013 um 17:12 Uhr
 

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